Vor dem EM-Anpfiff 2012: Geld und Spiele – Finanzen, Fußball, Emotionen

In der aktuellen Ausgabe (06/2012) von „die bank – Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis“ durchleuchtet die Ulmer Wirtschafts- und Finanzjournalistin Birga Teske das Umfeld des europäischen Fußballs von seiner monetären Seite:

Am 8. Juni beginnt die Fußball-Europameisterschaft. Einen Tag später muss sich die deutsche Nationalmannschaft zum ersten Mal beweisen – im Vorrundenspiel gegen Portugal. Bis zum Finale am 1. Juli dürfte das alle vier Jahre stattfindende Turnier weltweit mehrere Milliarden Zuschauer vor die Fernsehapparate locken. In den Gastgeberländern Polen und Ukraine wird die Anreise von mehr als einer Million Fußballfans erwartet. Nicht nur sportlich betrachtet ist die Fußball-EM ein Spektakel – auch finanziell gesehen zählt der Wettbewerb zu den größten Ereignissen im internationalen Sport: Der europäische Fußballverband UEFA (Union of European Football Associations) rechnet mit Einnahmen von rund 1,3 Mrd. €. Den Löwenanteil davon steuern die Medienrechte bei.

Von dem Geld profitieren viele: Die teilnehmenden Teams erhalten Antritts- und Siegprämien in Höhe von fast 200 Mio. €. Dazu kommen 55 Mio. €, die an die Heimatklubs der teilnehmenden Spieler fließen. Knapp 500 Mio. € sollen unter allen 53 UEFA-Mitgliedsverbänden verteilt werden, um beispielsweise den Bau von Stadien oder die Ausrichtung von Juniorenwettbewerben zu fördern.

Real Madrid nimmt 480 Mio. € ein

Trotz ihrer Größe hat die EM nur einen kleinen Anteil am gesamten Marktvolumen im europäischen Fußballbetrieb. Schätzungen zufolge wurden 2010 zwischen Portugal und Russland mit dem runden Leder rund 16 Mrd. € umgesetzt. Mehr als die Hälfte dieses Geldes floss in die Kassen der fünf finanzstärksten Ligen – der deutschen Bundesliga, der britischen Premier League, der spanischen Primera División, der italienischen Serie A sowie der französischen Ligue 1.

Nicht nur auf Nationalspielerebene sind die Fußballnationen England, Deutschland, Spanien, Italien und Frankreich eine Liga für sich. Auch im Umsatz-Ranking der Vereine dominieren Klubs dieser Länder. Wie eine Analyse des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte ergeben hat, erzielten Real Madrid und der FC Barcelona in der Saison 2010/2011 mit 480 Mio. € bzw. 451 Mio. € europaweit die höchsten Einnahmen. Auf dem dritten Platz folgt Manchester United mit einem Umsatz von 367 Mio. € vor dem FC Bayern München (321 Mio. €) und Arsenal London (251 Mio. €). Schalke 04 nimmt mit Erlösen in Höhe von 202 Mio. € den zehnten Platz ein. Damit gehörten im betrachteten Zeitraum erstmals seit der Saison 1996/1997 wieder zwei deutsche Fußballvereine zu Europas Spitzenverdienern.

Doch das Geld rinnt vielen Klubs nur so durch die Finger. Hohe Ausgaben – insbesondere für die Spieler – reißen tiefe Löcher in die Kassen. Zuletzt zahlten die 98 Vereine der fünf finanzstärksten Ligen Europas mehr als 5,5 Mrd. € für Gehälter, rechnen die Analysten von Deloitte. Das entsprach einem Anstieg von 8 % zum Vorjahr. In Italiens Serie A gingen 2009/2010 mehr als 77 % des Umsatzes für Personalkosten drauf, in Frankreichs Ligue 1 waren es 73 %, in Englands Premier League 68 % und in Spaniens Primera División immerhin noch 60 %. Selbst die vergleichsweise bescheidenen Gehälter in der Bundesliga verschlangen demnach noch 54 % der Einnahmen. Große Ausgabenposten für die Fußballklubs sind außerdem der Unterhalt von Stadien, Cateringgesellschaften oder Jugend-Leistungszentren. Für erhebliche Ergebnisschwankungen sorgen Transferzahlungen. Sie differieren von Saison zu Saison und bergen große finanzielle Risiken.

Bundesliga steht gut da

Die Top-Ligen in Frankreich und Italien schreiben seit Jahren Verluste. Wirtschaftlich am besten stehen die Premier League und die Bundesliga dar. Allerdings gibt es auch innerhalb der Spielklassen große Unterschiede zwischen den einzelnen Vereinen. So schrieben 2010/2011 sechs der 18 Bundesligisten rote Zahlen, wie der Ligaverband DFL berichtet. Ein Jahr zuvor verzeichneten sogar elf Klubs ein negatives Ergebnis. In der zweiten Bundesliga ist die Situation noch angespannter. Hier erspielten 2010/2011 nur acht von 18 Kadern Gewinne, immerhin zwei mehr als im Vorjahr. Allein die erste Liga hatte bis zum 30. Juni 2011 Verbindlichkeiten in Höhe von rund 594 Mio. € angehäuft. Das waren knapp 40 % vom Umsatz. Allerdings ist das im europäischen Vergleich noch ein guter Wert: In den anderen Top-Ligen Europas überstiegen der DFL zufolge die Schulden die Einnahmen bei weitem. Die Schuldenquote der Primera División erreichte demnach gar 246 %. Ein Faktor für die vergleichsweise solide wirtschaftliche Lage der deutschen Klubs ist die DFL. Der Ligaverband macht die Vergabe von Lizenzen von der Finanzlage der Vereine abhängig. Dadurch soll sichergestellt werden, dass jeder Klub der 1. und 2. Bundesliga in der Lage ist, den Spielbetrieb während der laufenden Saison zu Ende zu führen. Zweimal im Jahr lässt die DFL sich Bilanzzahlen sowie Einnahmen und Ausgaben der Vereine nebst Planzahlen präsentieren. Klubs, die eine negative Eigenkapitalquote ausweisen, sind angehalten, diese zu verbessern. Wer gegen die Lizensierungsordnung verstößt, kann mit Geldbußen oder sogar Lizenzentzug bestraft werden. Bisher ging die Rechnung auf. Anders als etwa in der britischen Premier League, wo 2010 der FC Portsmouth Pleite ging, blieb die Bundesliga bisher von Insolvenz­fällen verschont.

Die schwierige Lage vieler Profiklubs hat inzwischen auch den europäischen Fußballdachverband auf den Plan gerufen. Die UEFA hat 2010 eine Financial-Fair-Play-Regelung erlassen.

UEFA greift ein

Vereinfacht gesagt verlangen die neuen Finanzregeln von allen Teilnehmern an Champions- und Europa League-Spielen, dass sie nicht mehr ausgeben als sie einnehmen. Dadurch soll verhindert werden, dass konkurrierende Klubs astronomische Summen für Spielertransfers und -gehälter ausgeben und dadurch in den finanziellen Ruin getrieben werden.

Wer in Zukunft keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegt, riskiert den Verlust der Spielberechtigung für die europäischen Wettbewerbe – und damit einer wichtigen Erlösquelle. Offensichtlich gibt es bei einigen Klubs noch Nachholbedarf. So hatten laut UEFA-Präsident Michel Platini in der Saison 2010/2011 elf der 80 Lizenzvereine die künftig geltenden Vorgaben noch nicht erfüllt.

Wie stabil die einzelnen Klubs tatsächlich dastehen, dürfte jedoch selbst für die Experten der UEFA schwer zu beurteilen sein. Ein Problem ist, dass zahlreiche Fußballvereine gleich mehrere Tochtergesellschaften betreiben. In diesen sind beispielsweise der Stadionbetrieb, die Cateringaktivitäten oder der Verkauf von Tickets ausgelagert. Finanzzahlen aber legen viele Klubs nur für die Einzelgesellschaft vor, in der der Spielbetrieb läuft. Die Geschäftsergebnisse der übrigen Firmen bleiben unter Verschluss. Konzernzahlen sucht man häufig vergeblich. Kritiker bemängeln, dass Vereine die Ergebnisse ihres Sportbetriebs schönen können, indem sie Schulden in Tochtergesellschaften verschieben oder diese untereinander Geschäfte abschließen lassen.

Karlheinz Küting, Professor am Centrum für Bilanzierung und Prüfung der Universität des Saarlandes, kritisiert seit langem die irreführende Veröffentlichungspolitik der Fußballvereine. Mit Hertha BSC focht der Wissenschaftler im Frühjahr 2010 sogar einen Rechtsstreit über die Höhe der Schulden des Bundesligisten aus. Während die Berliner darauf pochten, nur die Bankverbindlichkeiten von 30 Mio. € als Summe ihrer Verschuldung zu nennen, erklärte Küting öffentlich, dass die Verbindlichkeiten 64 Mio. € betrügen. Der Richter gab dem Bilanzexperten recht. Einzige Einschränkung: Küting solle bei der Wiederholung seiner Aussagen künftig explizit darauf hinweisen, dass er Hertas Schulden einschließlich Rückstellungen und passiven Rechnungsabgrenzungsposten (erhaltene Vorschusszahlungen) berechnet habe, verlangte der Robenträger.

Geheimniskrämerei um Finanzzahlen

Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform hat ebenfalls einschlägige Erfahrungen mit der undurchsichtigen Finanzlage im Fußball gesammelt. Von 2002 bis 2008 sowie im Jahr 2011 stellten die Analysten allen Klubs der 1. Bundesliga eine Bonitätsnote aus. Dazu zogen sie die frei verfügbaren Bilanzzahlen heran und baten um weitere Informationen. „Aber die Fußballvereine zeigten sich wenig offen“, berichtet Creditreform-Pressesprecher Michael Bretz. Aktuelle Finanzdaten wurden in vielen Fällen wie ein Staatsgeheimnis behandelt, die Ergebnisse von Tochtergesellschaften blieben intern. Zwar verbesserte sich die Situation über die Jahre – wohl auch weil immer mehr Vereine ihre Gesellschaftsform vom eingetragenen Verein in eine Kapitalgesellschaft wandelten und Einsicht in die Notwendigkeit von Transparenz gewannen. Doch die grundsätzlichen Schwierigkeiten blieben: „Fußball ist ein Geschäft, das im Hinblick auf seine Finanzsituation nur sehr schwer für Außenstehende zu durchblicken ist“, sagt Bretz. Eine Neuauflage der Bonitäts-Tabelle soll es nicht mehr geben.

Für potenzielle Kreditgeber bleibt die Branche somit ein schwieriges Betätigungsfeld. Zumal das Interesse am sportlichen Erfolg dem Interesse an der finanziellen Solidität in vielerlei Hinsicht diametral entgegenzulaufen scheint. Die Versuchung für die Klubs ist groß, viel Geld in gute Spieler und Trainer zu stecken, um an die Tabellenspitze vorzurücken und dadurch die Erlöse durch Ticketverkauf, Merchandising und Werbung zu steigern. Doch wenn die Rechnung nicht aufgeht und am Ende noch die enttäuschten Fans den Stadien fernbleiben, steht das Management schnell vor einem finanziellen Scherbenhaufen. Insofern ist Fußball vergleichbar mit dem Musikgeschäft: Wenn eine Produktionsfirma alles Kapital auf einen Hit setzt, kann sie damit durchschlagenden Erfolg haben – oder alles verlieren.

Geld schießt keine Tore

Fakt ist: Zwischen dem sportlichen Erfolg und der finanziellen Lage der Vereine besteht nur ein geringer Zusammenhang, getreu dem Motto „Geld schießt keine Tore“. So verteilten sich beispielsweise die drei Tabellenführer der Bundesligasaison 2010/2011 im Creditreform-Ranking von 2011 über das gesamte Bewertungs-Spektrum. Der Deutsche Meister Borussia Dortmund landete in Punkto Bonität auf einem mittleren Platz, Vize Bayer Leverkusen im hinteren Drittel und Tabellendritter Bayern München auf Platz Nr. 2. Aber natürlich kann dem sportlichen Niedergang durchaus auch der finanzielle Ruin folgen: Von einer Insolvenz bedroht sind vor allem Klubs, die einen Liga-Abstieg verkraften müssen. Denn während die Einnahmen schlagartig zurückgehen, bleiben die Ausgaben – insbesondere für die Spielergehälter – weitgehend stabil.

Tatsächlich differieren die Erlöse in den verschiedenen Spielklassen gravierend. So verbuchte die erste Liga laut DFL im Geschäftsjahr 2010/2011 Einnahmen von mehr als 1,9 Mrd. €. Davon stammte rund ein Viertel aus Werbeeinnahmen, ebenso viel brachten die Medienrechte ein. Gut ein Fünftel der Gesamtsumme kam durch die Spieltage (Ticketverkauf, Catering etc.) zusammen, während der Kauf und Verkauf von Spielern (Transfers) unter dem Strich ein positives Ergebnis ergab, das sich auf 10 % des Umsatzes summierte. In der zweiten Liga hingegen betrug der Gesamtumsatz lediglich 358 Mio. €. Jeder Zweitliga-Verein erzielte damit durchschnittlich weniger als ein Fünftel der Einnahmen jedes Erstligisten. Mit einem Umsatzanteil von jeweils mehr als 30 % dominierten hier Werbung und Medienrechte als wichtigste Erlösquellen.

Mögliche Finanzierungsinstrumente

Wenn die Erlöse nicht ausreichen, um die Ausgaben zu decken, und Fußballklubs ihre Finanzierung nicht durch die Thesaurierung von Gewinnen stemmen können, stehen ihnen im Prinzip die gleichen Möglichkeiten offen wie anderen Unternehmen: Sie können Anteile an ihren Gesellschaften an die Börse bringen oder an einen privaten Investor verkaufen (Private Equity). Sie können Bankkredite aufnehmen oder Schuldverschreibungen begeben. Praktisch jedoch sind die Möglichkeiten der meisten Vereine beschränkt. So weisen insbesondere viele Zweitligisten ein negatives Eigenkapital auf. Der DFL zufolge belief sich das Loch in der Bilanz der 2. Liga 2010/2011 aggregiert auf 45 Mio. €. Das macht die Klubs aus Investorensicht unattraktiv.

Ein Hindernis stellen auch die strikten Ad-hoc-Regeln für börsennotierte Unternehmen dar. „Viele Informationen der Klubs müssen vertraulich behandelt werden, besonders Verhandlungen über Transfers oder Vertragsverlängerungen“, gibt Stefan Ludwig, Sportexperte von Deloitte, zu bedenken. Noch dazu hat sich die Aktie des einzigen börsennotierten Fußballklubs Deutschlands, Borussia Dortmund, seit ihrer Erstnotierung so schlecht entwickelt, dass sich auf absehbare Zeit kein Nachfolger auf das Börsenparkett wagen dürfte. Von der Erstplatzierung im Oktober 2000 bei 11 € rutschten die Titel bis unter 1 € ab. Ende März dieses Jahres notierten sie bei rund 2,50 €. Viele Fußballaktien englischer Klubs erlebten eine ähnliche Hängepartie. Eine der wenigen rühmlichen Ausnahmen waren die Titel von Manchester United, die aber wie viele andere längst wieder delisted sind.

Bleibt Möglichkeit Nummer 2 – die Platzierung von Unternehmensanteilen an einen privaten Investor. Infrage kommen für eine solche Kapitalbeteiligung sowohl strategische Investoren als auch typische Private-Equity-Gesellschaften. Einige deutsche Vereine haben sich schon vor längerer Zeit an Sportartikelhersteller und Fuhrparkausrüster (Bayern München / Adidas, Audi) gebunden oder gelten als Werksklubs großer Unternehmen. Für langjährige Sponsoren oder Ausrüster kann eine Beteiligung aus Marketinggesichtspunkten durchaus Sinn machen. Statt alle paar Jahre neue Verträge abzuschließen, binden sie den betreffenden Fußballklub langfristig an sich und minimieren das Risiko, dass der Sportpartner sich den Firmennamen der Konkurrenz ans Trikot heftet.

Fußballbegeisterte Milliardäre

Spekulative Beteiligungen wie sie mehrfach in England von fußballbegeisterten Milliardären eingegangen wurden, sind in Deutschland selten. 2011 stieg der jordanische Investor Hasan Ismaik mit 49 % bei 1860 München ein. Die Mehrheit konnte er nicht übernehmen. Das verhindert die vom Ligaverband verhängte „50 + 1-Regel“. Demnach ist es externen Dritten nicht möglich, die Stimmenmehrheit an Profiklubs zu kaufen. Einzige Ausnahmen: Wirtschaftsunternehmen, die einen Fußballklub seit mindestens 20 Jahren ununterbrochen und erheblich gefördert haben. Davon profitieren Bayer Leverkusen (Bayer) und der VfL Wolfsburg (VW) schon seit langem. Spekulative Finanzinvestoren bleiben außen vor. Sie haben nur zwei Möglichkeiten: Aus einer Minderheitsbeteiligung heraus Einfluss auf ihr Investment zu nehmen oder auf eine Beteiligung an deutschen Bundesligisten zu verzichten.

Die DFL will mit ihrer auch innerhalb der Liga umstrittenen Übernahmeregel verhindern, dass die finanziellen Interessen von Investoren vor die sportlichen Interessen der Klubs gestellt werden. Tatsächlich haben etwa britische Klubs nicht immer gute Erfahrungen mit Finanzinvestoren gesammelt. So ging der FC Portsmouth Pleite, nachdem er binnen eines halben Jahres vier Mal den Besitzer gewechselt hatte. Nach einem französisch-russischen Unternehmer übernahm ein Scheich die Leitung, der wiederum an einen anderen Scheich verkaufte. Zuletzt gehörte der Klub einem Geschäftsmann aus Hongkong, der jedoch die Insolvenz ebenfalls nicht mehr abwenden konnte.

Glücklich schätzen können sich Vereine, die einen Mäzen für sich gewinnen können, wie etwa die TSG Hoffenheim. Übernimmt ein solcher Geldgeber etwa eine atypische stille Beteiligung, dann wird diese in der Bilanz nicht als Verbindlichkeit, sondern als Eigenkapital erfasst. Ein weiterer Vorteil: Die neuen Financial-Fairplay-Regeln der UEFA gestatten privaten Geldgebern und Investoren, Differenzen zwischen Einnahmen und Ausgaben eines Klubs bis zu einer bestimmten Höhe auszugleichen und ihn damit vom Ausschluss aus der Champions League oder der Europa League zu bewahren. In den Geschäftsjahren 2011/2012, 2012/2013 und 2013/2014 wären das aggregiert bis zu 45 Mio. €.

Bankkredite oder Anleihen?

Neben der Eigenkapitalaufnahme mithilfe von Investoren können Fußballvereine auch auf Fremdkapital zurückgreifen. Dazu bieten sich Bankkredite oder die Ausgabe von Anleihen an. Laut DFL wiesen die Fußballklubs der 1. Bundesliga Ende Juni 2011 Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Höhe von 105 Mio. € aus. Die Anleiheschulden beliefen sich auf 46 Mio. €. Deutlich höher fielen einige andere Passiva in der Bundesliga-Bilanz aus: Neben Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (84 Mio. €) ragten „Sonstige Verbindlichkeiten“ in Höhe von 357 Mio. € aus dem Zahlenwerk hervor. Ebenfalls in seinem Umfang nicht zu vernachlässigen war der Betrag der „Passiven Rechnungsabgrenzung“ mit 205 Mio. €.

Unter dem Posten „Sonstige Verbindlichkeiten“ ist ein Sammelsurium an unterschiedlichen Finanzbeziehungen zusammengefasst. Darin enthalten sein können Darlehen von Privatpersonen ebenso wie gestundete Stadionmieten oder ausstehende Provisionszahlungen an Spielervermittler. Unter „Passive Rechnungsabgrenzung“ fallen Vorschüsse in oft beträchtlicher Höhe. So lässt etwa der Verkauf von Dauerkarten die Kasse klingeln, die dafür zu erbringende Gegenleistung verteilt sich auf die folgende Spielsaison. Die Inhalte der vertraglichen Vereinbarungen, die den sonstigen Verbindlichkeiten und der passiven Rechnungsabgrenzung zugrunde liegen, sind essentiell für die künftige Entwicklung der Vereine. Insofern ist es für Fremdkapitalgeber mehr als interessant, näheren Einblick in diese Bilanzposten zu erhalten.

Auch die Aktivseite von Fußballklubs weist einige Besonderheiten auf. So stellt in der ersten Bundesliga das Spielervermögen (339 Mio. €) nach dem Finanzanlagevermögen (427 Mio. €) den größten Posten dar. Auf Rang Drei steht die Kasse (331 Mio. €), gefolgt von Forderungen, Vorräte, Wertpapiere (287 Mio. €) und dem Sachanlagevermögen (225 Mio. €). Sowohl der Spielerkader als auch die Sachanlagen, etwa in Form eines vereinseigenen Stadions, sind jedoch für Kreditgeber nur mit hohen Abschlägen als Sicherheiten nutzbar. Schließlich steht und fällt der Wert der Kicker mit deren sportlicher Leistung, und eine Fußballarena ist außerhalb von Training und Wettkämpfen nur sehr eingeschränkt nutzbar.

Kommunen springen in die Bresche

In die Bresche springen hier vielfach die Kommunen. Viele von ihnen werten Fußballklubs als wichtigen Wirtschaftsfaktor für ihre Region. Tatsächlich hängt vom Wohl und Wehe der Kicker einiges ab: Laut DFL zahlen die 36 Ligavereine insgesamt 719 Mio. € Steuern und Abgaben. 40.000 Arbeitsplätze sind direkt und indirekt mit dem Spielbetrieb verknüpft. Entsprechend verhalten sich die Stadtväter und treten mit Bürgschaften, vergünstigten Stadionmieten oder anderen Hilfen für ihre Sportvereine ein.

Die wohl verlässlichsten Unterstützer jedes Vereins aber sind und bleiben seine Anhänger. Sie kaufen nicht nur Fanartikel, Eintrittskarten und Halbzeitwürstchen, sondern sind oft auch bereit, ihren Kickern finanziell unter die Arme zu greifen. Das können sich selbst sportlich weniger erfolgreiche Vereine zunutze machen – beispielsweise durch die Ausgabe von Fan-Anleihen. Jeder vierte Liga-Klub hat diese Form der Finanzierung bereits genutzt. Den Auftakt machte 2004 Hertha BSC, 2005 folgte der 1. FC Köln, 2006 Arminia Bielefeld, 2008 Alemannia Aachen und 2009 der 1. FC Nürnberg.

St. Pauli sammelt 8 Mio. € ein

2010 kam der Markt für Fußballanleihen so richtig in Schwung. Fünf Vereine sammelten seither Geld in ihrer Fan-Gemeinde ein, zuletzt der FC St. Pauli. Der Zweitligist bekam mit dem Slogan „Auf St. Pauli regeln wir die Dinge unter uns“ binnen weniger Wochen 8 Mio. € für den Umbau des Millerntor-Stadions zusammen. Das hat Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz geweckt. „In der 1. und 2. Bundesliga ist das Interesse sehr groß; 2012 wird es mindestens eine weitere Anleiheemission geben“, sagt Markus Kern. Der frühere Finanzchef von Schalke 04 arbeitet als selbstständiger Unternehmensberater für Fußballklubs und hat neben der Schalke-Anleihe auch die Emission der St. Pauli-Bonds betreut. Bei ihm häufen sich die Anfragen in Sachen Fananleihe.

Selbst Drittligisten würden ihre Finanzierungsmöglichkeiten gerne um dieses Instrument erweitern, berichtet der Berater. Doch schon aufgrund der hohen Fixkosten für Wertpapierprospekt, BaFin-Genehmigung und Transaktionsabwicklung, die laut Kern im sechsstelligen Euro-Bereich liegen, lohnt sich die Begebung eines Bonds nur für Vereine mit breiter Fan-Basis. Und selbst für die ist eine Anleiheemission kein Selbstläufer. Entscheidend ist vor allem das Timing: Klubs, die sowohl finanziell als auch sportlich eine solide Performance zeigen, haben die besten Verkaufsargumente.

Schwierig wird es, wenn Bonds aus einer finanziellen Notlage heraus begeben werden sollen. Erst recht, weil nicht alle Fußballklubs, die bisher eine Anleihe zurückzahlen mussten, eine gute Figur dabei gemacht haben: Während der 1. FC Köln seinen sechsjährigen Bond 2011 problemlos zurückzahlte und Hertha BSC Ende 2010 ihren ersten – 4,5 Mio. € schweren – Bond durch einen zweiten ablösen konnte, musste Arminia Bielefeld nach dem Abstieg in die 3. Liga mit den Gläubigern über eine Umschuldung ihres 2011 fällig gewordenen Schuldtitels verhandeln.

Fans behalten Schmuckanleihen

Tatsächlich aber dürfte den meisten Vereinen die Rückzahlung von Fananleihen weniger Kopfzerbrechen bereiten als die Begleichung von Bankschulden. Denn der Zins für unbesicherte Fußball-Bonds liegt üblicherweise zwischen 5 % und 6 % und damit unterhalb der Marktzinsen. Doch der bedeutendste Vorteil für die Vereine liegt darin, dass sie einen Großteil der Zinsen und Nennbeträge niemals zurückzahlen müssen. Zumindest dann, wenn sie ihren Fans neben der digitalen Version fürs Depot auch noch Schmuckanleihen anbieten. St. Pauli etwa ließ sechs verschiedene Motive für seine zahlungskräftigen Fans drucken. Nun dekorieren tausende von Urkunden im Wert von 100 € bis 1.910 € die Wände Hamburger Büros und von Hobbykellern. Und dort werden viele der Anleihen wohl auch hängenbleiben. Denn welcher Anhänger der Kiez-Kicker bringt es übers Herz, die mit den Köpfen von Spielern und Trainern verzierten Dokumente zu zerreißen, um an die Kupons zu kommen? Ähnlich dürfte es den Gläubigern von Schalke 04 gehen, die 2010 Anleihen im Wert von 11 Mio. € zeichneten, Schätzungen zufolge etwa die Hälfte davon Schmuckurkunden. Da spielt es letztlich auch keine Rolle, wie die Europameisterschaft ausgeht, oder ob Schalke kommende Saison in der Champions League mitspielt. So­lange Fans und Kommunen den Klubs die Treue halten, ist ihr finanzielles Aus unwahrscheinlicher als ihr sportliches.

Mehr Information rund um Fußball und Finanzen
erhalten Interessenten hier:

Zugang zum vollständigen Artikel „Geld und Spiele“, inklusive Grafiken, in der aktuellen Ausgabe (06/2012) von „die bank – Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis“ finden Sie unter diesem Link.

„die bank – Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis“
Website: www.die-bank.de

Zugang zur Deloitte-Pressemitteilung bezüglich der diesjährigen Fußball-Finanz-Studie
finden Sie hier.

Weitere Informationen finden Sie in einer Zusammenfassung unter diesem Link.

Highlights sowie Daten und Grafiken zur Studie erhalten Interessenten (als PDF-Datei)
über diesen Link.

Die deutschsprachige Ausgabe der Studie erscheint Anfang August.

Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Website: www.deloitte.de