Europäische Schuldenbremse – Disziplinierung der Haushalte oder Einschränkung der Finanzpolitik?

Eine aktuelle Neuerscheinung aus der Internationalen Politikanalyse (IPA) der Friedrich-Ebert-Stiftung befasst sich mit der Fragestellung „Europäische Schuldenbremse – Disziplinierung der Haushalte oder Einschränkung der Finanzpolitik?“ Der Aufsatz von Dr. Mechthild Schrooten, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Bremen, erscheint im Rahmen der IPA-Arbeitslinie „Europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik“.

Angesichts der vielfältigen Implikationen für das Risikomanagement bietet die Publikation zahlreiche Anstöße zum Nachdenken:

 „Die Verschärfung budgetpolitischer Vorgaben durch den reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie den Fiskalpakt wirkt kontraproduktiv bei der Bekämpfung staatlicher Schulden. Definitorische Unklarheiten, wachstumsbremsende Effekte durch zu hohes Konsolidierungstempo und die Vernachlässigung gesamtwirtschaftlich positiver Effekte staatlicher Investitionen über den Kapitalmarkt führen zu einer gebremsten fiskalpolitischen Schlagkraft Europas. Eine nachhaltige Rückführung staatlicher Verschuldung müsste an deren Ursachen ansetzen und die zunehmende Dichotomie zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut ändern.“

Hier sind einige volkswirtschaftliche Schwerpunkt-Erkenntnisse aus dem Aufsatz:

  • Die Stabilisierung von Banken und Finanzintermediären im Zuge der internationalen Finanzkrise 2007/08 hat den Schuldenstand der öffentlichen Haushalte in zahlreichen Ländern in die Höhe schnellen lassen. 23 von 27 Mitgliedstaaten befinden sich in einem Defizitverfahren.
  • Ende 2011 wurden durch eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes die finanzpolitischen Rahmenbedingungen in der EU verschärft. Mit dem Fiskalpakt soll durch die Einführung nationaler Schuldenbremsen das Defizitkriterium noch strenger ausgelegt werden.
  • Die neuen Regelungen sind kein simpler Export der deutschen Schuldenbremse. Vielmehr sind angesichts des Schuldenstandes auch in Deutschland Anpassungsleistungen zu erbringen. Ein einfaches Herauswachsen aus den Schulden wird langfristig kaum möglich sein, auch da derzeit die guten Zinsbedingungen auf dem internationalen Finanzmarkt nur begrenzt zur Investitionsfinanzierung genutzt werden können.
  • Die Europäische Schuldenbremse setzt nicht auf die Bekämpfung der Verschuldungsursachen. Dazu gehören der Steuersenkungswettbewerb, die Kosten der Finanzmarktkrise und die zunehmende Dichotomie von privatem Reichtum und öffentlicher Armut. Im internationalen Vergleich sinkt – gerade in Krisenzeiten – die finanzpolitische Schlagkraft Europas.

 

Der Hintergrund zum Werk der Bremer Professorin liefert einige Impulse bezüglich der gegenwärtigen Schuldenkrise und ihrer Konsequenzen:

In den letzten Jahren ist ein Teufelskreis aus Banken-, Finanzmarkt- und staatlichen Verschuldungskrisen entstanden. Maßnahmen, die im Zuge der internationalen Finanzkrise 2007/2008 zur Stabilisierung von Banken und Finanzintermediären ergriffen wurden, haben den Schuldenstand der öffentlichen Haushalte in zahlreichen Ländern in die Höhe schnellen lassen. Dies gilt auch für die Mitgliedsländer der EU. Staatliche Schulden sind über den Finanzmarkt zu finanzieren. Hierbei kommen einzelne Euroländer zunehmend an ihre Grenzen. Verschuldungskrisen, Rettungsschirme, Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) und Schuldenbremse sind in diesem Zusammenhang zentrale Schlagworte.

Vor diesem Hintergrund haben 25 Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) im März 2012 den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalpakt) unterzeichnet. Nur Großbritannien und Tschechien beschreiten einen Sonderweg. Der Fiskalpakt sieht vor, dass die Unterzeichnerstaaten auf der jeweiligen nationalen Ebene „Schuldenbremsen“ einführen und diese in der Verfassung verankern. Der europäische Fiskalvertrag soll 2013 in Kraft treten. Dazu muss er von 12 der 17 Euroländer ratifiziert worden sein. Sein Ziel ist, die öffentliche Verschuldung einzudämmen, indem er der staatlichen Verschuldung durch die „Fiskalpaktbremse“ eine formale Grenze setzt. Davon soll wiederum ein stabilisierender Impuls auf den Finanzmarkt ausgehen. Faktisch werden auch zukünftige Rettungsprogramme für den Finanzsektor und für die Mitgliedsländer der Eurozone gedeckelt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist der Euro-Rettungsschirm erst neuerlich weiter ausgebaut worden.

Die IPA, mit deren Unterstützung der Aufsatz erschienen ist, ist die Analyseeinheit der Abteilung Internationaler Dialog der Friedrich-Ebert-Stiftung. In ihren Publikationen und Studien bearbeitet die IPA Schlüsselthemen der europäischen und internationalen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das Ziel der IPA ist die Entwicklung von politischen Handlungsempfehlungen und Szenarien aus der Perspektive der Sozialen Demokratie.

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