Erstmalige Konsolidierung bis dato nicht einbezogener Tochterunternehmen

Mit den Erfordernissen zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (International Financial Reporting Standards = IFRS) und der Zweckmäßigkeit einer retrograden Erstkonsolidierung nach IFRS befasst sich ein Aufsatz in der Fachpublikation „KoR“ – Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung (Heft 07-08 / 2012 – Seite 335).

Der Artikel trägt den Titel „Zweifelsfragen der erstmaligen Konsolidierung bis dato nicht einbezogener Tochterunternehmen“:

Der Beitrag beschäftigt sich mit der in der für die Praxis relevanten Frage, wie derzeit nach nach internationalen Rechnungslegungsstandards zu verfahren ist, wenn ein Tochterunternehmen aufgrund des Überschreitens von Wesentlichkeitsgrenzen erstmals oder erneut in einen IFRS-Konzernabschluss einzubeziehen ist.

Hier folgen ein paar Informationen aus der Einleitung:

Entsprechend den IFRS-Konzernrechnungslegungsvorschriften hat die Erstkonsolidierung grundsätzlich zum Erwerbszeitpunkt zu erfolgen. Maßgeblich für die Bestimmung dieses Zeitpunkts und somit für die Bestimmung des Zeitpunkts der Erstkonsolidierung ist IFRS 3.8. Danach handelt es sich hierbei um den Zeitpunkt, zu dem der Erwerber die Beherrschung über das erworbene Unternehmen erlangt. Der International Accounting Standard – IAS 27.4 – definiert Beherrschung als die Möglichkeit, die Finanz- und Geschäftspolitik eines Unternehmens zu bestimmen, um aus dessen Tätigkeit Nutzen zu ziehen. Diese Beherrschungsdefinition hat im Rahmen des Consolidation-Projekts eine nicht unerhebliche Änderung erfahren. Gemäß IFRS 10.6 liegt Beherrschung dann vor, wenn ein Investor im Zusammenhang mit einer Unternehmensverbindung (positiven oder negativen) Rückflüssen ausgesetzt ist oder ein Anrecht auf diese besitzt und aufgrund seiner Entscheidungsgewalt die Höhe beziehungsweise den zeitlichen Anfall dieser Rückflüsse beeinflussen kann. Der Beherrschungsbegriff des IFRS 10 ist somit umfassender als der des IAS 27, da die Bestimmung der Geschäftspolitik lediglich eine Ausprägungsform ist, die Aktivitäten eines Unternehmens nach Maßgabe des IFRS 10 zu lenken.

Gemäß IFRS 3.9 ist im Zusammenhang mit der Bestimmung der Beherrschung und damit des Erstkonsolidierungszeitpunkts insbesondere auf die Übertragung der Gegenleistung sowie die Übernahme der Vermögenswerte und Schulden des erworbenen Unternehmens abzustellen. Der Zeitpunkt der Erlangung der Beherrschung kann allerdings sowohl zu einem früheren als auch zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Der Erwerbszeitpunkt ist deshalb von signifikanter Bedeutung, weil er insbesondere für die Ermittlung der Zeitwerte der übernommenen Vermögenswerte und Schulden maßgeblich ist und ihm somit auch erhebliche Relevanz bei der Bestimmung der Höhe des Geschäfts- oder Firmenwerts zukommt. Weiterhin ist er für die Bestimmung der Höhe des Kaufpreises, insbesondere vor dem Hintergrund bedingter Kaufpreisbestandteile z.B. in Form von sogenannten Earn-out-Klauseln, maßgeblich. Zudem gibt der Erwerbszeitpunkt nach IFRS 3.45 die sogenannte Masurement Period vor. Danach ist es zulässig, einen Unternehmenszusammenschluss zunächst auf vorläufigen Werten abzubilden, die jedoch innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr ab dem Erwerbszeitpunkt anzupassen sind.

Aufgrund dieser Signifikanz ist die im Rahmen von IFRS 3 vorgegebene Vorgehensweise zur Bestimmung des Erstkonsolidierungszeitpunkts kritisch zu hinterfragen, denn es sind durchaus (Erwerbs-)Konstellationen denkbar, für die das Abstellen auf den Erwerbszeitpunkt (auch aus Praktikabilitätsgründen) als problembehaftet im Hinblick auf die Vermittlung von entscheidungsrelevanten Informationen erscheint.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die konzeptionelle Frage, ob in bestimmten Situationen von dem mit IFRS 3.8 einhergehenden Erfordernis einer grundsätzlich retrospektiv vorzunehmenden Erstkonsolidierung gegebenenfalls abgewichen werden könnte. In diesem Zusammenhang können exemplarisch die folgenden beiden diskussionswürdigen Szenarien angeführt werden:

Szenario 1: Erwerb eines aus Wesentlichkeitsgründen nach IFRS nicht einbeziehungspflichtigen Tochterunternehmens und Vorhandensein weiterer konsolidierungspflichtiger Tochterunternehmen;

Szenario 2: Beteiligung an einem ehemals konsolidierungspflichtigen Tochterunternehmen, welches in einer späteren Periode wieder konsolidierungspflichtig wird und darüber hinaus kein Vorhandensein weiterer konsolidierungspflichtiger Tochterunternehmen.

Im Rahmen der Ausführungen des Beitrags wird zunächst ein kurzer theoretischer Überblick über die Vorschriften gegeben, aus denen sich die Pflicht zur Aufstellung eines IFRS-Konzernabschlusses ableiten lässt. Darauf aufbauend wird die der IFRS-Konzernrechnungslegung immanente Problematik der retrospektiven Erstkonsolidierung sowohl unter theoretischen als auch unter praktischen Gesichtspunkten anhand der beiden oben genannten Szenarien dargestellt.

  Verfasst wurde der Gemeinschaftsbeitrag von folgendem Autorenteam:

  • Der Wirtschaftsprüfer und Certified Public Accountant Christian Landgraf ist Associate Partner und Leiter des Kompetenz-Center Internationale Rechnungslegung bei Rödl & Partner in Nürnberg.
  • Ebenfalls bei bei Rödl & Partner in Nürnberg, der Wirtschaftsprüfer und Certified Public Accountant Thomas Rattler ist Associate Partner im Kompetenz-Center Internationale Rechnungslegung.
  • Dr. Benjamin Roos ist Referent General Accounting & Controlling Policies in der Grundsatzabteilung Rechnungslegung und Controlling bei der Siemens AG in München.

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Weitere Details zum Thema erstmalige Konsolidierung
bis dato nicht einbezogener Tochterunternehmen
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Ein Link, der zu dem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Fachpublikation „KoR“ – Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung (Heft 07-08 | Juli/August 2012) führt, ist hier zugänglich.

„KoR“ – Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung
Website: www.kor-ifrs.de