Aktuell auf der Website der vom Bundesverband deutscher Banken e. V. (BdB) herausgegebenen Fachzeitschrift „die bank – Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis“ veröffentlicht die Organisation eine Stellungnahme zu dem umstrittenen Thema unter dem Titel „Finanztransaktionssteuer – die möglichen Auswirkungen“.
Sollen Finanztransaktionen künftig besteuert werden? Diese Frage wird derzeit nicht nur in Deutschland von der Politik diskutiert. Eine Finanztransaktionssteuer funktioniere nur, wenn sie international vorgeschrieben sei, nicht ausschließlich in Deutschland – das ist das bekannteste Gegenargument, aber nicht das einzige. Denn der Teufel steckt wie so oft im Detail. Der Bankenverband hat zu der umstrittenen Steuer Position bezogen:
Käme man tatsächlich im Grundsatz überein, eine Finanztransaktionssteuer etwa in den G20-Ländern einzuführen, stellte sich die Frage, ob ein einheitlicher Rahmen für nationale Steuern oder eher eine länderübergreifende Steuer das geeignetere Vorgehen wäre.
Probleme der konkreten Ausgestaltung
Diese Frage zu klären ist deshalb wichtig, weil das Steueraufkommen höchst ungleich verteilt sein würde. Finanztransaktionen finden mehrheitlich an den großen globalen Finanzzentren statt. Folglich würde dort auch der Löwenanteil der Steuern anfallen. Die Devisenmärkte sind hierfür ein eindrucksvolles Beispiel: Auf Basis der von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zuletzt 2007 erhobenen Daten, wurden weltweit an internationalen Devisenbörsen Transaktionen im Wert von rund 800 Billionen US$ abgewickelt. Davon entfielen rund drei Viertel auf nur sechs Finanzplätze – London, New York, Zürich, Tokio, Singapur und Hongkong.
Wäre die Finanztransaktionssteuer eine jeweils nationale Steuer, so könnte zum Beispiel Großbritannien einen erheblichen Teil seines nationalen Steueraufkommens allein damit erzielen. Auch deutsche Unternehmen, die in London Finanzgeschäfte tätigen, müssten diese Steuer an den britischen Fiskus entrichten. Durch den neuen Steuersegen könnten andere Steuern wie die Einkommensteuer spürbar gesenkt werden. Es ist also glasklar: Länder, in denen die großen sechs Finanzzentren sitzen, hätten dadurch im internationalen Steuer- und Standortwettbewerb beträchtliche Vorteile. Es ist deshalb höchst unwahrscheinlich, dass sich andere Länder auf eine solche Lösung einlassen.
Die Alternative zur nationalen Steuer wäre, die Finanztransaktionssteuer als internationale Steuer, die in allen Ländern der G20 gilt, einzuführen und die Steuereinnahmen nach einem vorher festgelegten Schlüssel an alle Länder zu verteilen. Doch bislang hat nicht einmal die EU das Recht, eigene Steuern zu erheben. Insofern würde der bisherige politische Konsens durchbrochen, sollte es tatsächlich zu einer politischen Einigung über einen Eingriff in die nationale Steuerhoheit der beteiligten Länder etwa auf Ebene der G20 kommen. (Die Bezeichnung „G20″ bezieht sich auf eine Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und ist ein seit 1999 bestehender informeller Zusammenschluss aus 19 Staaten und der Europäischen Union.)
Fragwürdige Lenkungswirkungen
Ökonomisch gravierender als die Frage, wie eine solche Steuer rechtlich umgesetzt werden würde, sind jedoch die negativen Auswirkungen auf Staatshaushalte, Realwirtschaft und Finanzmärkte. Das Vorbild der Finanztransaktionssteuer ist die so genannte Tobin-Steuer, die anders angelegt und als Instrument gegen die Spekulation an den Devisenmärkten gedacht war. Die Tobin-Steuer blieb übrigens Theorie und hat ihre Praxistauglichkeit nie beweisen müssen. (Diese 1972 von dem US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler James Tobin vorgeschlagene, aber bisher nicht eingeführte Finanztransaktionssteuer auf internationale Devisengeschäfte bezeichnet.)
Mit einer Finanztransaktionssteuer sollen alle Transaktionen an Finanzmärkten besteuert werden; also solche in Devisen, Aktien, festverzinslichen Wertpapieren, Rohstoffen und Derivaten. Die Primärannahme ist grundsätzlich die gleiche wie bei der Tobin-Steuer: Spekulationen seien die Ursache für Instabilität und Krisen. Deshalb werde auf diese Transaktionen eine Steuer erhoben. Je kurzfristiger die Spekulation ist, umso wirkungsvoller ist die Steuer – es wird Sand ins Getriebe der Märkte gestreut. Dadurch, so die Erwartung, sinke der Anreiz zur Spekulation und damit das Handelsvolumen – sowie letztlich auch das Risiko von Krisen.
Aber erstens belegt das Beispiel des Devisenhandels gerade nicht die These übermäßiger Spekulation, und zweitens ist eine Reihe von Krisenursachen erkennbar, die durch eine Finanztransaktionssteuer überhaupt nicht korrigiert würden:
Der Devisenmarkt gilt vielen als Modellfall ungezügelter Spekulation, da das Transaktionsvolumen ein Vielfaches des Welthandels ausmacht. Dabei wird jedoch übersehen, dass Devisentransaktionen im Regelfall das genaue Gegenteil von Spekulation sind: Es handelt sich vor allem um Geschäfte zur Absicherung von Risiken aus Wechselkursschwankungen. Für jede angebotene Devisenposition reagiert der nicht-spekulativ agierende Marktteilnehmer, indem er den Betrag weiterreicht, der seine Risikotragfähigkeit übersteigt. So entsteht eine Kette von Transaktionen, die im Kern keine Stabilitätsgefährdung darstellt, sondern Risiken insgesamt begrenzt. Eine Finanztransaktionssteuer verändert – ja, verzerrt – den Preis. Eine Bewertung der Marktsituation wird schwieriger und das Risikomanagement damit unsicherer.
Die Finanztransaktionssteuer wird als eine Lehre aus der aktuellen Finanzkrise gefordert, um zukünftige Krisen zu begrenzen bzw. zu vermeiden. Sie hätte aber, wäre Sie bereits eingeführt gewesen, die Krise weder verhindert noch den Krisenverlauf positiv beeinflusst. Kurzfristig orientierte Spekulanten waren nicht der Auslöser der Erdbeben an den Märkten. Die Ursachen lagen andernorts: etwa in der bilanziellen Bewertung und dem Rating strukturierter Finanzprodukte – allen voran den mit Hypothekenkrediten unterlegten Collateralized Debt Obligations (CDOs) – sowie darin, dass Risiken von Credit Default Swaps (CDS) anders als erwartet nicht zu Marktteilnehmern, die diese besser tragen konnten, übertragen wurden. Die Ausfälle einzelner Papiere und schließlich der Zusammenbruch des gesamten CDO-Marktes wurden nicht durch kurzfristige Handelsaktivitäten ausgelöst und hätten durch eine Finanztransaktionssteuer nicht gebremst werden können. Ähnliches gilt für den CDS-Markt.
Eine Finanztransaktionssteuer wäre daher nicht nur ein ungeeignetes Instrument zur Verhinderung von Krisen; sie birgt sogar ein erhebliches Risiko negativer Nebenwirkungen. Denn letztlich ist eine Steuer nicht nur ein zusätzlicher Kostenfaktor für die Marktteilnehmer, und sie verzerrt die Preise. Wertpapierkurse, die unter dem Regime einer auf kurzfristige Transaktionen erhobenen Steuer entstehen, reflektieren nicht mehr den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert des Wertpapieres. Das Kapital würde gesamtwirtschaftlich nicht mehr optimal eingesetzt – letztlich würde so auch der realwirtschaftliche Investitionsprozess gestört. Längerfristige Folge einer Finanztransaktionssteuer wären ein geringeres Wirtschaftswachstum und geringere Reallöhne.
Unternehmen, die sich am Finanzmarkt refinanzieren, würden die Folgen unmittelbar spüren. Ein Beispiel: Die heute bei deutschen Unternehmen weit verbreitete Finanzierung über kurzfristige Geldmarktpapiere, die ebenfalls der Finanztransaktionssteuer unterlägen, würde sich im Vergleich zu anderen Finanzierungsformen verteuern. Der Unternehmensgewinn würde sinken und dadurch letztlich auch die abzuführenden Gewinnsteuern. Die Unternehmen müssten somit ihre Finanzierungsstruktur verändern. Eine Konsequenz wäre, dass sie auf steuerfreie Finanzierungsalternativen ausweichen. Dann würden gar keine Finanztransaktionssteuern für den Staat anfallen.
Fazit
Die Einführung einer neuen Steuer will gut bedacht sein – das gilt erst recht, wenn so gravierende Effekte wie im Falle einer Finanztransaktionssteuer zu erwarten sind. Vor einer isolierten Einführung in Europa kann wegen der vielfältigen Umgehungsmöglichkeiten nur gewarnt werden. Aber auch wenn Ausweichbewegungen begrenzt werden könnten, stünden der ungewissen Einnahme handfeste Nachteile gegenüber: Eine Finanztransaktionsteuer würde die Beschaffung von Kapital verteuern und das Wachstum dämpfen. Auch die Anleger würden belastet. Die Leistungsfähigkeit der Finanzmärkte würde beeinträchtigt und damit die Wettbewerbsfähigkeit gerade derjenigen Volkswirtschaften beschädigt, die wie Deutschland wegen hoher Lohnkosten auf Kapital dringend angewiesen sind.
Der Bankenverband ist davon überzeugt, dass eine Finanztransaktionssteuer dem Wachstum Deutschlands sowie der Weltwirtschaft schaden würde und rät deshalb dringend davon ab, eine solche Steuer einzuführen.
Weitere Informationen zum Thema Finanztransaktionssteuer
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Zugang zum Aufsatz über die Stellungnahme des deutschen Bankenverbands
zur Finanztransaktionssteuer finden Sie unter diesem Link.
„die bank – Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis“
Website: www.die-bank.de
BdB – Bundesverband deutscher Banken e. V.
Website: www.bankenverband.de